St. Pelletino

Würzburg, 11.12.2013. Rosen und Nelken zittern in den Händen des behandschuhten Mannes, der schwarz gekleidet das Bahnhofsgebäude betritt. Umschauen, Kopf schütteln, der Tremor winkt. Keiner kennt sein Geheimnis. Er nimmt es mit ins Grab, wenn er wenig später vom einfahrenden ICE 877 nach Braunschweig erfasst wird. Jeden Tag einer. Das beeinträchtigt die Pünktlichkeit-Statistik. Es ist mit einer Verspätung von 25 Minuten zu rechnen, hallt es wenig später am Bahnhof in Kassel. Es müssen erst 60 Prozent des Körpers gefunden werden. Zerstreut liegen Rosen und Nelken auf dem Bahnsteig.

Er steigt aus dem Zug gegenüber, geht zum Rand des Bahnsteigs und schaut hinunter, als würde der Zug dort unten liegen. Dann schiebt er sich einen Schokoriegel zwischen die Zähne. Langsam, den Schmelz spüren. Dann wendet er sich um, geht zur Tür. Damit war sein Auftrag erledigt. Der Pellet König war abserviert, jetzt war es nur noch einer aus der ehrenwerten Riege.

Magdeburg im Nebel. Vom Bioheizkraftwerk bis zum Bahnhof sind es Luftlinie nur wenige Kilometer. Wenn die Elbe nicht wäre. Das Hochwasser suppt bis zum Eingangsbereich des Verwaltungsgebäudes. Im Kesselhaus tobt das Höllenfeuer auf einem Schieberost. Im Überwachungsraum blinkt eine Lampe verbissen rot. Über dem Kettenförderer hat die Verpuffung ein Loch in den Förderschacht gesprengt. Durch den Not Kamin ist das 1000 Grad heiße Gas entwichen. Nur die Dacheindeckung ist der Temperatur nicht gewachsen und glimmt, immer noch. Draußen stehen die Löschmannschaften. Rußgeschwärzt warten Sie auf das Kommando zum Abzug. Nur die Brandwache bleibt. Von wegen Verpuffung, das war Sabotage, zischt der Werksleiter zu den umstehenden. Heiß umkämpft ist der Markt für die Pellet Produktion. Kein Brandbeschleuniger aber Ammoniumnitrat sagt der Sachverständige am nächsten Tag. Mehr nach dem Laborbericht. Im Ofen explodiert stände das Gebäude nicht mehr, so bleiben 100.000 Euro versicherter Schaden und mehrere Wochen Produktionsstillstand. Werden wir zurückschlagen, fragt der Werksleiter, dem die Spätschichten der letzten Woche anzusehen sind, nachdem die Feuerwehr abgezogen ist. Vernichtend, raunt der Geschäftsführer. Wir sollten sie mit den gleichen Waffen schlagen.

Als Nebenprodukt der Pferdemist Pellet Produktion entsteht Ammon-Nitrat-Harnstofflösung. Besser als Nitroglyzerin sagt der Schichtleiter und füllt einen 25 Liter Kanister. Das dürfte für Werk zwei von Deutsch P reichen. Kurze Zeit später prescht der SUV durch das flache Wasser in Richtung Elbbrücke. Vor dem Zaun von Werk zwei der Deutsch P biegt er in einen Feldweg ein. Der Straße abgewandt ließen die Raucher immer das Tor angelehnt. So kommt er unbemerkt bis zum Rolltor des Kesselhauses. Im Sichtschatten der Überwachungskamera drückt er sich zur Nebeneingangstür. Sie ist regelwidrig nicht verschlossen. Sie machen es mir leicht, denkt er. Er würde es auch ohne ihren Leichtsinn schaffen. Das Werk ist eine Blaupause des Bioheizkraftwerks, bei der Planung hatte er mitgearbeitet und kennt deshalb jeden Winkel.

Im Innern ist es Dunkel. Die vollautomatische Nachtschicht hatte begonnen. Nur aus dem Kontrollfenster des Heizkessels flackert der rote Feuerschein. Ab und zu hört er das Scharren des Kettenförderers und den hellen Ton des CSR Moduls. Im Schein seines Handydisplays stellt er den Kanister an die heißen Zuleitungen mit Trägeröl für das CSR Modul, gleich über der Welle. Schmilzt der Kanister, ergießt sich die Flüssigkeit über die Welle und entzündet sich. Die Explosion wird die tonnenschwere Turbine bei 2000 Umdrehungen aus den Lagern heben. Wie gekommen schleicht er sich auf dem gleichen Weg zurück zu seinem SUV. Auf der Brücke hört er den Knall. Kreischend fliegt die Turbine durch die Halle. Köpft den Tank für das Trägeröl, durchschlägt die Wärmetauscher Einheit, kappt die Treppenstützen, schlägt einen Bogen und walzt dabei die Drucklufttanks nieder. Das dreistöckige Treppengerüst stürzt auf den Heizkessel, die Turbine kratzt sich in die Stahlbetonwand des Vorratsbunkers für das Grüngut, dann kommt sie zum Stehen. Auf dem Dach blinkt rot wie ein Grablicht die Warnlampe, eingehüllt im schwarzen Qualm aus den Rauchabzugsluken.

Fern tönt schon die Sirene der Feuerwehr. Ein zweiter Einsatz heute Nacht.

Als sie ankommen schießt das hochgiftige OCR-Öl immer noch aus dem Gegenstromwärmetauscher. Keine Chance für die Löschmannschaft. Sie müssen untätig zusehen wie sich das Gebäude erst mit weißem, dann mit dickem schwarzem Qualm umhüllt. Jetzt ist auch die Rauchgasreinigung in sich zusammengestürzt. Das Höllenfeuer im Heizkessel brennt noch immer. Ohne Kühlung wird es in Kürze den Kessel sprengen. Ohne Strom funktioniert die Notkühlung nicht. Schon vor einer Stunde hat die rasende Turbine alle Zuleitungen gekappt. Es wäre besser wir gehen jetzt, sagt der Einsatzleiter zum Zugführer. Aufsitzen Männer wir müssen raus, ruft er gegen das fauchen des Feuers an. Alle stürmen zum Einsatzwagen. Keine Sekunde zu früh. Schon an der Biegung zum Industriegebiet hört er ein alles durchbohrendes Knirschen, wie Kreide auf einer Tafel nur tausendmal lauter. Dann prasseln Steine gegen Blechwände. Das ist das Ende. Der Kessel war geborsten.

Heimliche Helden

Diese Geschichte entspringt dem Hörensagen.

Eberbach 01.02.2018 Ich bin übrigens bei einem Paletten Tausch übrig geblieben. Der Frachtmeister hatte die Zahl auf dem Lieferschein nicht lesen können. So landete ich als überzählig in einem gedeckten Güterwagen in Erbach im Odenwald. Seitdem bin ich als schwarzfahrende Europalette auf den Güterwägen Europas unterwegs. Ich weiß noch genau was ich nach meiner ersten Odyssee sah, als die Waggontür rumpelnd aufschlug. Eine aufgemöbelte zweiachsige K5104. Sie stand auf dem Bahnhofsvorplatz von Eberbach. Sie wird sogar nachts beleuchtet. Eine Augenweide. Es scheint mir auch so, als ob Erbach der Bahnhof wäre, wo die Lokomotiven abends zum Schlafen hinfahren. Vielleicht kann man sich anschleichen und sie leise schnarchen hören, das solltest du dir merken EMMA, falls du mal ein ruhiges Plätzchen suchst.

Mir als Europalette stehen viele Wege offen. Aber am liebsten fahre ich mit der Bahn. Trainhopping, heute mit der einen, morgen mit der anderen, bin ja eine Tauschpalette, da kommt man rum. Das gleichmäßige Rattern der Achsen ist für mich Musik. Stürmisch wird es immer am Anfang und am Ende einer Reise. Dann, wenn die kleinen 3-Achsigen Diesellokomotiven die Güterzüge auflösen und wuselig die Waggons verteilen. Das habe ich schon oft erlebt. Da ist mir am liebsten EMMA. Geisterhaft bewegt sie sich dank Fernsteuerung. Ein Mann Betrieb. Ja, manche Lokomotiven sind Uralt, manche sogar 60 Jahre. Manche kommen wie alte Drachen daher und ächzen und qualmen und stinken nach Schwefel, dass es einem erbarmt. Nicht so EMMA, die rollt flüsternd und dank ihrer Ad Blue Technik und dem Dieselrußfilter kräuselt nur ein blaues Wölkchen aus ihrem Schornstein.

Ach, ein Holzladungsträger dachte EMMA. 1961 für die Eisenbahn erfunden. Eine genormte tauschbare Palette aus Holz. Wer genau diese damals erfunden hat, weiß ich auch nicht. Vielleicht war es ein Arbeiter mit dicken Schwielen an den Händen und viel Frust im Bauch angesichts der vielen Säcke, die er stets in den Eisenbahnwaggons verstauen musste. Das wäre zumindest plausibel, denn mit der Holzpalette brauchten die Arbeiter nicht einmal mehr zehn Prozent der bis dahin erforderlichen Zeit zum Beladen eines Waggons. Es roch nach Revolution im europäischen Transportwesen. Gabelstapler und Europalette fanden zum perfekten Duo. Sie harmonieren vor allem deshalb so perfekt, weil die Europalette vierwegig ist, der Gabelstapler sie also unkompliziert von allen vier Seiten aufnehmen kann. Und auch die EMMAs dieser Welt mußten sich anpassen, beeilen wegen der immer größeren Gütermenge. Sie sorgen dafür, dass der Joghurt in den Laden und die Blumenerde in den Baumarkt gelangt. Sie buckeln Medikamente und Lebensmittel, karren Textilien und Computerchips. Ohne die EMMAs blieben ganze Regalkilometer leer.

EMMA blinzelte aus ihren zwei neuen Scheinwerfern einen Lichtkegel auf die Europalette. Wie siehst du denn aus? Ich als Palette bin genormt, knarrte die Palette. Man nehme neun Holzklötze und elf Bretter und zimmere diese mit genau 78 Spezialnägeln – keiner mehr, keiner weniger – zusammen. Brandzeichen drauf. Fertig bin ich, die 120 Zentimeter lange, 80 Zentimeter breite und 14,4 Zentimeter hohe Europalette. Weltweit sind über 400 Millionen von mir unterwegs. Und mich kann man in einem der 500 Betriebe in Deutschland reparieren, dann bin ich wie neu. Das gibt es bei Rangier-Lokomotiven jetzt auch, sagte EMMA. Schau mich an. Ich war vorher 30 Jahre bei Peine Salzgitter in diensten, jetzt haben mich die Leute von RailArt wieder herausgeputzt. Und ihre Kaminverkleidung leuchtete noch gelber vor Stolz als sonst.

Leider kümmert sich keiner um eine schwarzfahrende Europalette und eine Instandsetzung wäre dringend nötig. Einer meiner 9 Holzklötze wackelt und das zweite Brett von rechts hat auch einen Knick. Wie ist das denn passiert trötet EMMA, über das ebenfalls quitschgelbe Signalhorn?

Es war ungefähr vor einem halben Jahr. Das Austüfteln einer Route fällt mir nicht leicht. Manchmal warte ich quälend lange auf einen Anschlusszug. Dann liege ich im Gras neben den Gleisen. Gelegentlich kommt es auch zu Verwirrungen, natürlich kann ich keine Anzeige lesen, ich weiß nicht wohin der Zug geht, auf den man mich zufällig geladen hat. Ich bin niemals bei der Fahrt auf einem Güterzug erwischt worden und habe mich demzufolge niemals des unbefugten Betretens von Bahneigentum schuldig gemacht. Aber für meinen Transport wurde auch nie bezahlt.

Im Baseler Bahnhof wurde ich versehentlich mit anderem Holz auf einen Drehgestellflachwagen geladen. Doch ich kam gut zu liegen. Ich war noch nie zwischen Bretterstapeln auf einem offenen Güterwaggon gefahren und machte mir Sorgen, daß sie ins Rutschen geraten könnten. Irgendwann tröstete ich mich mit der Überlegung, daß ich ja 1500 kg tragen kann und ich mit ein paar Schrammen davonkommen würde. Und dann kam BRUNHILDE diese ungehobelte Rangierlokomotive und bugsierte meinen Waggon auf ein Nebengleis, zu den 50 anderen Waggons auf dem Weg nach Hamburg. Das ist genau meins. 530 Tonnen Zuglast, Lok sollte sich auch nicht übernehmen, trötet es aus EMMAS Horn.

Beim ankuppeln verrutschte ein Holzstapel und klemmte mich ein. Ach daher die Macken, warf EMMA ein. Ja. Ich hatte den Schmerz aber schnell überwunden. Aus einem Güterbahnhof hinauszufahren ist für mich immer ein Gefühl aus Wehmut und Fernweh, das lässt mich alles andere vergessen. Wenn man erst einmal das Signal hinter sich gelassen hat und die vielen Gleise zu einem geworden sind, dann will man nur noch fahren. Ich genoss die frische Luft und den würzigen Holzgeruch um mich herum. Vielleicht werden das auch einmal Europaletten dachte ich. In Kehl roch der Abend nach Knoblauch; später, in der Nähe von Mannheim, würde die Morgendämmerung nach Haselnuss Creme duften. Warum haben sich Menschen dafür entschieden, hinter Wänden und Fenstern zu leben? Und dann ging es tagsüber den Rhein abwärts.

Gerne würde ich einmal die Rheintalstrecke fahren, tutete EMMA. Wegen der schönen Aussicht. Leider sind dort nur alte scheppernde Waggons unterwegs. Aber ich komme hier nicht raus. In der letzten Meile eingesetzt zu sein ist natürlich eine Einschränkung. Ich fahre auch nicht so schnell, 60 Stundenkilometer, das ist nichts für den Fernverkehr. Habe zudem abgespeckt, 60 Tonnen auf drei Achsen reichen aus. Da muss ich auch nicht so viel futtern. Weniger Sprit bedeutet weniger Emissionen und das bei gleicher Leistung.

Und hier habe ich ein Zuhause. Tür zu rief EMMA, nachdem Sie in den Lockschuppen eingefahren war. Das glaubt mir wieder keiner, dass schon manche Lock allein durch den Wind bei offener Tür wieder hinausgeblasen wurde. Ich will nicht enden wie eine schwarzfahrende Palette. Wohin wohl ihre nächste Reise geht? Als die Tür des Lockschuppens ins Schloss fiel, erloschen auch die Scheinwerferkegel von EMMA und die Europalette verschwand in die Nacht. Sicher sind solche gesprächigen Europaletten selten.

Das auf Achse sein ist nicht nur der Versuch zu leben sondern auch dem Leben zu entkommen, sinnierte EMMA. Und auch morgen wird EMMA wieder Güterwaggons rangieren.

Neue Ideen von voRWEggehen

Neulich in der Klimagipfelrunde

Lassen sie uns doch Braunkohleautos bauen sagt Wirtschaftsminister Rössler in die Runde. Mein Ministerium hat da einen Plan ausgearbeitet. Wir haben doch so viele Schlaglöcher wirft Ramsauer ein. Braunkohle, davon haben wir genug. Das CO2 könnten wir einfangen und im Boden vergraben. Einfach an jeden Auspuff einen Gastank mit Verdichter anschließen, den kann man beim Kohleholen entleeren. Die Braunkohleabbauflächen könnten wir als Parkplätze nutzen. Und nicht zu doll mechanisieren. Jedes der 100 Millionen Fahrzeuge erhält einen Heizer. Ja Sie verstehen mich richtig, Jim Knopf made by VW oder Opel oder BMW oder Mercedes. Wie früher bei uns grunzt Merkel dazwischen. Unsere Deutschen Autobauer könnten sich prima von den ausländischen abgrenzen. Einfach alle Asylbewerber reinlassen und zu Heizern ausbilden. Oder die Schlecker Frauen ruft Frau von der Lyen. Da wäre auch das Problem der schrumpfenden Bevölkerung gelöst. Und was für ein Wirtschaftswunder. Jedes Fahrzeug bräuchte einen Anhänger für die Briketts, stellen Sie sich vor 100 Millionen Anhänger, was für ein Wachstum. Die Luxusklasse fährt natürlich mit hochverdichteten Briketts, die Passen in den Kofferraum und dazu liefert Versage Handschuhe aus Krokodilleder.

Da meldet sich Beck aus Rheinland Pfalz: Für die Heizer müßten Mindestlöhne vereinbart werden. Und natürlich zulagen für Samstags und Sonntagsfahrten.

Rösler fährt fort: Die Dampfmotoren hätten auch immer heißes Wasser dabei. Damit könnte man ganz einfach die braunen schlieren vom edlen Autolack putzen und dabei auch noch Tee oder Filterkaffee trinken.

Eine Idee der RWE.

Ein Einfall aus der Reihe „Wirtschaft Wunder und anderes Kurioses“